Interview mit Barbara Schneider
Eine Erfolgsstory wird 25!

Ein Teil dieser Erfolgsstory ist die Mitinitiantin zur Gründung des Vereins Kiebitz, Barbara Schneider.
In einem Interview teilt die ehemalige Regierungsrätin von Basel mit uns ihre persönlichen Erinnerungen an die Anfangszeit, die durch eine grosse Entlassungswelle gut ausgebildeter Mitarbeiter*innen in Basels Pharma-Industrie geprägt war. Arbeitslosigkeit sah und sieht sie als gesellschaftliches Thema, das uns beschäftigt und dauerhaft begleitet. Ausserdem verrät sie uns, wie der Verein zu dem Namen eines Vogels kam, der im Tierreich durch besondere Neugierde auffällt.

In welchem beruflichen Umfeld befanden Sie sich damals zu Beginn der 90er Jahre? Wie kam es
überhaupt zur Gründung von Kiebitz?
In dieser Zeit hatte ich innerhalb der Christoph-Merian-Stiftung (CMS) die wunderbare Aufgabe, die Abteilung für soziale und kulturelle Projekte zu leiten. Dabei beschäftigten wir uns mit der Entwicklung von Ideen und der Umsetzung von Projekten, die gemäss Testament von Christoph Merian mit dem Gewinn der CMS für Massnahmen „zur Linderung der Not der lieben Vaterstadt Basel“ einzusetzen waren.
Zu Beginn der 90er Jahre kam es bei den damaligen Unternehmen Ciba-Geigy und Sandoz zu einer Welle von Entlassungen, was insbesondere Mitarbeitende im Alter ab 54 Jahren betraf.

Ging es dabei nicht um das sogenannte Desiderio-Programm?
Ja, ganz genau. Im Wissen, dass es sich hier um hochqualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter handelte, gingen wir der Frage nach, was denn nun mit diesen Leuten passiert. Dabei ging die CMS zweigleisig vor: Einerseits wurde diese Menschen an benevol, der Organisation für Freiwilligenarbeit, vermittelt. Anderseits suchten wir auch nach Lösungen, diesen Leuten wieder den Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen.

Wie ging das konkret vor sich?
Bei der Erarbeitung dieser Grundlagen realisierten wird bald, dass es eine Schaltstelle braucht um herauszufinden, was der Arbeitsmarkt benötigt und wie die Betroffenen hier wieder einen Zugang finden und vermittelt werden können. Dies war die Geburtsstunde dieser Beratungsstelle für Leute mit guter Ausbildung und grosser Berufserfahrung. Dabei begann alles sehr klein und die CMS stellte die Finanzen zum Erstellen des Konzepts zur Verfügung.

Othmar Gnos war der erste Geschäftsführer von Kiebitz – wie kam es dazu?
Ich erinnerte mich in diesem Zusammenhang an die Bewerbung von Othmar Gnos, die er mir zuvor einmal zugestellt hatte. Er war damals bei der Sandoz für die Durchführung der Entlassungen in einer grossen Abteilung verantwortlich; immer im Bewusstsein, nach erfolgtem Abschluss selber zu den Entlassenen zu gehören. Er hatte sich danach bei diversen Institutionen und Organisationen spontan beworben, für die er gerne arbeiten wollte. Daraufhin wurde Othmar Gnos zum ersten Geschäftsführer von Kiebitz ernannt und war in der Folge mit der operativen Umsetzung des Projekts beschäftigt. Nach erfolgreicher Aufbauarbeit wechselte er dann als Gemeindeverwalter nach Reinach.

Welche Aufgabe hatten Sie dabei inne?
Ich war insbesondere beim Aufgleisen der ganzen Idee mit von der Partie. Das fiel dann aber schon bald in die Zeit, als ich die CMS verliess und per Januar 1997 in den Regierungsrat gewählt wurde. Auch wenn der Bereich von Kiebitz nicht meinem Departement unterstellt war, nahm ich zur Kenntnis, wie sich auch in Basel die Arbeitssituation veränderte und wie sich das Arbeitsamt dieser Herausforderung zu stellen hatte. Arbeitslosigkeit sah und sehe ich als gesellschaftliches Thema, das uns beschäftigt und dauerhaft begleitet. Ich habe danach aber immer wieder mitbekommen, dass Kiebitz weiterhin funktioniert und wächst. Ich kannte dabei auch Leute, die für Kiebitz arbeiteten und es freute mich, dass das Angebot entsprechend breiter und grösser wurde und damit aufzeigte, dass eine solche Institution benötigt wird und auch wandelbar ist.

Wie kam es dann eigentlich zur Namensgebung «Kiebitz»? Laut meiner Recherche wurde der Kiebitz just im Jahr 1996 zum Vogel des Jahres in Deutschland erkoren.
Wir diskutierten damals mögliche Varianten für einen griffigen Namen. Ich weiss nicht mehr genau, wer effektiv für die Namensgebung verantwortlich war. Tatsache ist, dass es sich dabei um ein neugieriges Tier, respektive um einen speziellen Vogel handelt. Wir verbanden das mit der Neugierde zu erfahren, welche Fähigkeiten Menschen mitbringen und auch damit, an welcher Stelle diese brachliegenden Fähigkeiten wieder gewinnbringend eingesetzt werden können. Ich erachte diesen Namen bis heute als gute Wahl, wird der Name doch offensichtlich auch als Markenzeichen wahrgenommen.

Nach zwölf Jahren gaben Sie Ihren Rücktritt aus der Regierung bekannt und traten Anfang 2009 aus der Regierung aus. Womit beschäftigten Sie sich danach?
Ich liess vorerst Vieles auf mich zukommen. Dann wurde mir das Stiftungspräsidium des Sinfonieorchesters Basel angeboten, was mich als Liebhaberin von klassischer Musik natürlich interessierte. Erst jüngst wurde nun Tobit Schäfer zu meinem Nachfolger gewählt und ich werde dieses Amt im Juli 2021 nach zwölf Jahren abgeben. Daneben habe ich noch andere Mandate für kulturelle und soziale Organisationen inne und bin für die SP als Richterin am Appellationsgericht tätig. Auch diese Aufgabe werde ich zum Jahresende abgeben.

Wir benutzen in unserer Tätigkeit als Coach und Berater*in oft auch das Bild des Brückenbaus, das Abstimmen der eigenen Kompetenzen mit den gesuchten Anforderungen der Ausschreibung. Können Sie mit diesem Bild etwas anfangen?
Unbedingt. Mir fällt auf, dass man bei Menschen manchmal auch die Fähigkeiten wecken oder wachrufen und ihnen dabei auch Mut zusprechen muss. Deshalb braucht es die Vermittlung, das Stellen der richtigen Fragen, um herauszufinden, über welche besonderen Fähigkeiten die einzelne Person verfügt.

Nun, seit März 2020 ist die Arbeit von uns allen durch Corona dominiert. Welche Auswirkungen hat das in Ihren Augen auf die gesamte Arbeitssituation und den Stellenmarkt?
Ich empfinde eine unglaubliche Spannung, weil ich nicht abschätzen kann, welche Auswirkungen Corona insgesamt auf den Arbeitsmarkt haben wird. Wenn ich durch die Stadt gehe und bei x Geschäften die mit Packpapier zugeklebten Schaufenster erblicke und auch weiss, welche Beizen nicht mehr aufgehen werden, so bin ich echt in Sorge.

Sehen Sie eventuell Massnahmen, wie die Situation entschärft werden könnte?
Nein, das kann ich so nicht sagen. Es erfüllt mich mit einer gewissen Ratlosigkeit, wenn behördliche Verbote erlassen werden und die Leute nicht mehr arbeiten dürfen. Es ist tatsächlich so, dass nun plötzlich Leute ohne Beschäftigung dastehen, die jahrelang beim selben Arbeitgeber tätig waren und mit dem Bewerbungsprozess dementsprechend überfordert sind. Dies trifft gerade in der Gastronomie jegliche Chargen und Bereiche. Hier Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten, stellt für alle Beteiligten eine grosse Herausforderung dar. Ich denke, dass eine Organisation wie Kiebitz gesellschaftliche Veränderungen direkt zu spüren bekommt und diese auch zu adaptieren hat. Darin sehe ich weiterhin die Aufgabe von Kiebitz, die ich als sehr wertvoll und unterstützenswert erachte.

Frau Schneider, ganz herzlichen Dank für das Gespräch.
(Das Interview fand am 29. April 2021 statt.)

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